Frau Ingrid Reichelt-Schölch ist eine erfahrene Auditorin der DQS GmbH, der Deutschen Gesellschaft zur Zertifizierung von Managementsystemen. Sie begleitet den Deutschen Gründerverband seit gut drei Jahren und hat Anfang des Jahres den Verband nach ISO 9001:2015 zertifiziert. Im Interview erläutert sie die Vorteile und den Aufwand einer ISO-Zertifizierung.
Was ist die ISO 9001:2015 bzw. was sagt die Zertifizierung über das Unternehmen aus?
ISO 9001 ist die weltweit anerkannte Norm für Qualitätsmanagementsysteme, genutzt von mehr als einer Million Unternehmen aller Branchen und Größen. Sie wurde Ende 2015 umfänglich revidiert und stellt nach meiner Erfahrung nun eine optimale Grundlage für jedes Unternehmen dar, das seine Organisation und seine Leistungsfähigkeit von Anfang an gut aufsetzen möchte. Damit bietet sie Unternehmen eine Art Modell, sozusagen einen Leitfaden.
Das Zertifikat wiederum bestätigt den Erfolg bei dessen Umsetzung und stetiger Anwendung und genießt deshalb einen hohen Stellenwert. Es wird von einer unabhängigen, neutralen und hierfür akkreditierten Stelle – in Deutschland über die zunehmend auch international renommierte DQS – ausgestellt. Das schafft Vertrauen im Markt.
Was bringt die ISO 9001 gerade für junge Unternehmen?
Kundenzufriedenheit ist das Spiegelbild der Leistungsfähigkeit eines Unternehmens. Jedes junge Unternehmen startet notwendigerweise „organisiert“ in seine Geschäftstätigkeit, gleichgültig, ob es dies explizit als Managementsystem bezeichnet oder nicht.
Die ISO 9001:2015 stellt dem jungen Unternehmen einen kompletten Katalog von Anforderungen zur Verfügung, mit deren Erfüllung es bestens aufgestellt ist und eine wesentliche Grundlage für geschäftlichen Erfolg bildet. Bezogen auf Gründer erscheinen mir insbesondere Fragestellungen und Hinweise zu den Erwartungen von Kunden wichtig sowie weiterer sog. interessierter Parteien wie Lieferanten oder anderer Geschäftspartner, z. B. Banken. Da stecken Potenziale drin, die in der ersten Gründungsbegeisterung gern übersehen oder vernachlässigt werden.
Ab wann ist eine ISO-Zertifizierung sinnvoll? Sollte ein Unternehmen eine gewisse (Umsatz-) Größe erreicht haben, bevor es sich zum Zertifizierungsaudit entschließt?
Eine Zertifizierung nach ISO 9001:2015 ist grundsätzlich sinnvoll. Im Audit wird begutachtet, ob es klare Unternehmensstrategien und -ziele gibt, ob Prozesse effizient und transparent, messbare Ergebnisse möglich sind. Wer sich also auf den Weg gemacht hat, ein Qualitätsmanagementsystem einzuführen, wird das Zertifikat als Bestätigung der eigenen Arbeit schätzen.
Nicht zu unterschätzen ist auch die Wirkung in den Markt hinein. Insofern hängt die Entscheidung für eine Zertifizierung nicht von Umsatzhöhe oder Unternehmensgröße ab.
Wie aufwändig ist ein Audit? Wieviel kostet die Zertifizierung insgesamt?
Junge Unternehmen mit einer begrenzten Anzahl von Mitarbeitern und nur einem Standort müssen ca. 1,5 Audittage für die Erstzertifizierung einkalkulieren sowie etwas weniger für je ein Überwachungsaudit pro Jahr. Der Aufwand orientiert sich an der Anzahl von Mitarbeitern und ggf. weiteren Standorten.
Ein Audittag bedeutet durchaus ein straffes Programm mit intensiven Gesprächen zwischen dem Auditor, der Geschäftsführung, weiteren Führungskräften und Mitarbeitern. Das Zertifikat hat eine Laufzeit von drei Jahren. Danach geht derselbe Kreislauf für die Rezertifizierung los.
Was die Kosten angeht: ich behaupte, dass hier vor allem das Commitment eines jungen Unternehmens zu Buche schlägt, ein Qualitätsmanagementsystem einzuführen. Evtl. können Beratungskosten entstehen. Dazu kommen die sogenannten „eh da-Kosten“, d. h. Beiträge und Engagement der beteiligten Mitarbeiter und der Führungskräfte. Wenn das geschafft ist, fallen die Zertifizierungskosten eher gering ins Gewicht: für Klein- und Kleinstunternehmen (bis max. 10 Mitarbeiter) sollte man für diese drei Jahre mit etwa 6.000 € rechnen.
Wie ist es gekommen, dass Sie EOQ Quality Auditor geworden sind?
Die Voraussetzung hierfür ist die Ausbildung als Qualitätsmanager, wobei dieses Zertifikat nur nach einer Prüfung und zusätzlichem Nachweis entsprechender Erfahrung und Mitwirkung im Qualitätsmanagement erteilt wird. Ich war zuvor Leiterin Verkauf und Qualitätsmanagement in einem großen Dienstleistungskonzern, habe diese Ausbildung absolviert und interessierte mich schon bald nach meinem ersten bestandenen Audit im Konzern für den „Blick über den Tellerrand“.
Was kann man methodisch dazulernen? Was bringt uns voran? Wie managen andere Unternehmen ihr Qualitätsmanagement und welche Erfahrungen kann man als Auditorin in die auditierten Unternehmen einbringen? Das betrifft Chancen und Risiken, Verbesserungspotentiale, der bekannte „neutrale Blick“ usw., die berühmten Win-Win-Situationen für alle Beteiligten.
Das war der Antrieb für die weitere Fortbildung und Auditorenprüfung. Anschließend bewarb ich mich als freiberufliche externe Auditorin bei der DQS und aufgrund meiner Gesamtqualifikation, weiteren Seminaren sowie Hospitationen als Co-Auditorin erfolgte 2001 meine Berufung als Lead Auditorin. Und ich darf sagen, dass sich meine Erwartungen vollständig erfüllt haben.
Ihre Tipps für Gründer:
- Nutzen Sie die Fragestellungen der ISO zur Optimierung des Geschäftsmodells und der Prozesse
Die neue ISO 9001:2015 bietet ausreichende Freiheiten für Unternehmen jeder Größe und Branche. Ein Highlight für Gründer ist das Thema Risiken und Chancen. Man kann als kleiner Betrieb auch erst einmal einfach die Norm und etwas Fachliteratur kaufen, ggf. ein Seminar belegen, das gibt es speziell für kleine Unternehmen, oder mit externem fachlichem Coaching nach dem ISO-Modell arbeiten und Erfahrung sammeln. Außerdem gibt es viele Tipps in fachlichen Foren im Internet. Vielleicht erscheint die „Normlektüre“ anfangs mäßig spannend, doch je weiter man sich einliest, je interessanter wird es. - Konsequenz im Qualitätsmanagement durchsetzen
Man muss sich nicht sofort zertifizieren lassen, wenn die Kosten anfangs nicht darstellbar sind, und wenn man als Inhaber ohnehin das Durchsetzungsvermögen für das Managementsystem hat. Allerdings hängt der Erfolg eines Unternehmens, auch der finanzielle, eng mit dem konsequenten Durchhalten zusammen. Da helfen jährliche Audits. Anfangs mag das als Stress empfunden werden, aber bei der Bestätigung durch die Zertifizierung wird man umso stolzer auf die neutrale Bewertung der eigenen Leistung sein. Nicht selten knallen nach der Erstzertifizierung die Sektkorken. So ein bisschen ist das wie beim Sport – Ausdauer und Konsequenz zahlen sich aus. Mir sagte einmal eine Mitarbeiterin im Audit: Sie können jederzeit bei uns auditieren, wir sind stolz, dass hier immer alles so ist, wie es sein soll und wir verbessern uns immer weiter. - Erkundigen Sie sich nach Fördermöglichkeiten
Und noch einmal: Die Kosten einer Zertifizierung sind für die meisten Unternehmen eher zu vernachlässigen, wenn man die Implementierung des Qualitätsmanagementsystems geschafft hat und die Auswirkungen auf die Mitarbeitermotivation u.v.m. mit im Blick hat. Unter bestimmten Voraussetzungen haben junge Unternehmen auch die Möglichkeit, staatliche Fördermittel für eine Beratung zur Einführung eines Qualitätsmanagements zu erhalten. Die Zuschüsse werden im Rahmen des Programms „Förderung unternehmerischen Know-hows“ durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) gewährt. Die Höhe des Beratungszuschusses richtet sich nach der Unternehmensart und der Region, in der das Unternehmen seinen Sitz hat. - Qualität macht Spaß
Last but not least: Das System fördert die Unternehmenskultur und Zusammenarbeit, denn bei einem gut implementierten und „gelebten“ Qualitätsmanagement sind die Mitarbeiter oft begeisterte „Treiber“ des Systems.
Ich wünsche allen jungen Unternehmen und auch den bestehenden, die diesen Blog verfolgen, viel Erfolg!Mehr Informationen bei der DQS